Heute hat mich mein Zimmer-Gspänli gefragt, wie alt ich eigentlich sei. 28 Jahre. Und da ging mir ein Gedanke durch den Kopf: Wann ist eigentlich das perfekte Alter für eine solche Krankheit? Die Antwort war wieder: 28 Jahre. Genau jetzt. Ganz klar. Völlig logisch. Und es gibt zwei Gründe dafür:
Ich bin jung. Ich habe noch das ganze Leben vor mir, da ist überhaupt noch nichts gelaufen. Ein paar Reisepläne die verschoben werden müssen - who cares? Wenn wir die nachholen sind wir immer noch jung. Familienplanung - ist immer noch möglich, wenn wir wollen. Ein paar gute Parties, die ich verpasse - scheiss drauf, da kommen noch ganz viele auf mich zu und die werden dann nicht belanglos sein, sondern legendär, weil ich sie bewusst feiern darf. Und was zum Jungsein auch dazu gehört: Ich bin fit. Mein Körper ist wohl in der besten Verfassung meines Lebens. Ausgewachsen. Aber noch nicht alt. Und ich bereue keine Sekunde, die ich im Fitness oder in den Laufschuhen verbracht habe. Auch wenn von den Muskeln nichts mehr übrig ist, ich kann mir das alles wieder antrainieren und zwar schnell. Und ich spüre, dass ich stark bin. Jemand anderes hätte die Blutvergiftung nämlich nicht überlebt. Ich schon. Und zwar in einem Tempo, das einigen Ärzten den Mund offen stehen lässt. Ich überlebe auch die Leukämie und noch viel mehr! Der zweite Grund für den perfekten Krankheitszeitpunkt: Ich bin zwar jung, aber ich weiss wie das Leben läuft. Eine gewisse Erfahrung ist da. Ein klein bisschen Weisheit auch. Vernunft vielleicht noch dazu und gewinnen werde ich durch die Krankheit noch viel mehr. Viele positive Gedanken, liegt vielleicht daran, dass es mir zurzeit wirklich gut geht. Ich fühle mich schon fast gesund, solange ich nicht Treppensteigen muss :-). Ebenfalls konnte ich am Wochenende für ein paar Stunden nach Hause und heute nochmals. Es tat wirklich gut. Andere Wände, andere Menschen, andere Gespräche und dazu frische Luft, ein paar Sonnenstrahlen und viel Bewegung. Die Medizin, die ich wirklich gebraucht habe. Auch hat gestern die Chemo wieder angefangen, bis jetzt spüre ich nichts und ich hoffe das ändert sich auch nicht. Eine gewisse Angst bleibt aber: die vor der Neutropenie (Phase ohne Abwehr), denn ich weiss, wie schnell sich das Blatt dann wieder wenden kann....
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Befund: Erhöhte Entzündungswerte.
Patient: Rosie. 28 Jahre. Leukämie mit Blutvergiftung während Neutropenie. Arzt: Ohne Gehstock und Tablettensucht, trotzdem genau so gewieft wie das Original. Ja eben, die erhöhten Entzündungswerte, die haben meine Woche so richtig turbulent gemacht. Irgendwo in meinem Körper sind Entzündungsherde, welche gesucht und bekämpft werden müssen, damit endlich die Chemo weitergehen kann. Das bedeutete viele Untersuchungen am ganzen Köper. Ultraschall, Computertomographie, Bronchoskopie. Immer wieder von fremden Leuten abgetastet werden, aus- und anziehen in kalten Räumen und immer wieder warten. Unangenehm und stressig für mich. Ein lustiges Rätselraten für die Ärzte. Nur gefunden wurde irgendwie nichts. Ratlose Gesichter am Bett, bis plötzlich mein Bein so fest schmerzte, dass ich nicht mehr drauf stehen konnte. Gespürt habe ich im Oberschenkel schon seit der Intensivstation etwas, aber diese Woche wurde es immer schlimmer. Natürlich wurde das Ganze per Ultraschall untersucht mit dem Resultat: septische Embolie. Oder für den Otto-Normalverbraucher ausgedrückt: ein Eiterball im Muskel. Wääääh - aber logisch. Diese Embolie hat sich während meiner Blutvergiftung gebildet, da ich aber zu der Zeit überhaupt keine Abwehr hatte (Phase der Neutropenie), bildete mein Körper auch keinen Eiter. Ich habe zwar etwas im Bein gespürt, aber es hat nicht weh getan. Seit einigen Tagen funktioniert mein Immunsystem aber wieder einigermassen und voilà: Körper produziert wieder Eiter, Abszess tut weh, Entzündungswerte steigen. Des Rätsels Lösung! In der Folge wurde heute Nachmittag mein Bein punktiert, das ganze Zeugs rausgelassen und morgen sollte ich auch keine Schmerzen mehr haben. Tönt schon mal super, aber es kommt noch besser: ich darf morgen - wenn alles gut geht - für einige Stunden raus aus dem Spital. Und nächste Woche sollte es dann auch endlich mit der Chemo weitergehen. Happy End und Abspann. Gestern vor einem Monat habe ich die Diagnose bekommen. Schon ein Monat? Erst ein Monat? Ja irgendwie ging die Zeit unheimlich schnell vorbei, weil halt auch unheimlich viel passiert ist, andererseits fühlt sich ein Monat im Spital auch einfach sehr, sehr lange an. Ein Monat. Zeit die Diagnose sacken zu lassen. Ein Monat. Zeit in die Krankheit hineinzuwachsen. Ein Monat. Zeit die Situation zu akzeptieren. Es gibt Tage, da fühle ich mich schon fast gesund (zum Beispiel heute), es gibt Tage, da würde ich am liebsten aufhören zu atmen (zum Beispiel letzte Woche auf der Intensiv). Es gibt Tage, da lache ich viel, es gibt Tage, da könnte ich den ganzen Tag heulen. Es gibt Tage voller Hoffnung und Tage voller Selbstmitleid. Ein Auf und Ab. Und das Krasse daran: nichts ist planbar. Deshalb muss ich wohl noch lernen, dass nicht wichtig ist, was gestern war oder was morgen sein könnte, sondern was heute ist. Im Jetzt leben. Fakt ist: Ich erhole mich zurzeit immer noch von der Blutvergiftung und dem Wasser auf der Lunge. Ich fühle mich unterdessen ziemlich fit, ich brauche keinen Sauerstoff mehr, meine Blutwerte sind top und ich darf auch mal wieder raus. Auch kann ich die täglichen Dinge alle wieder selbstständig erledigen. Ja und was ist sonst noch passiert? Ich habe neuen Schmuck bekommen: Ein sogenannter "Zentraler Venenkatheter" ist das. Ein dünner Kunststoffschlauch, der über den Hals in das Venensystem eingeführt wird und dessen Ende in der oberen oder unteren Hohlvene vor dem rechten Vorhof des Herzen liegt. Holy Crap!!! Hab ich auch gedacht. Jedenfalls kann man da Infusionen rein und Blut rauslassen. Medikamente wie Morphin wirken so besonders toll :-). Das Ganze war ein kurzer chirurgischer Eingriff und spüren tut man nach einigen Stunden nichts mehr davon.
Weniger spektakulär war heute meine Total-Rasur. Jetzt habe ich definitiv eine Glatze und wenn ich meinen Eierkopf dann mal schön in Szene gesetzt habe, gibt's auch ein Foto davon. Versprochen. Diese Woche sollte dann auch die Chemo weitergehen. Endlich. Wie ich drauf reagieren werde, wie lange ich überhaupt noch im Spital bleiben muss, steht aber noch alles in den Sternen. Zurück bleibt viel Ungewissheit. Auch viel Angst, weil ich mittlerweile weiss, was alles passieren kann. Aber eben, am Besten lasse ich einfach alles auf mich zu kommen und nehme Tag für Tag. Schritt für Schritt. Was ist eigentlich letzte Woche auf der Intensivstation genau passiert? Wie schlimm es wirklich um mich stand, wird mir erst jetzt so richtig bewusst. Jetzt wo ich zurück auf Station bin und zur Ruhe komme. An vieles kann ich mich gar nicht mehr erinnern, ich habe einige Filmrisse, weil ich viel geschlafen habe oder unter starken Medikamenten stand. Einiges hat mir Fabian erzählt und die Ärzte. Intensive Zeit. Kurz vor dem Aufgeben. Traumatisch. Grad noch die Kurve gekriegt. Zum Glück.
Mein Körper ist immer noch etwas schwach, aber atmen, bewegen geht jeden Tag ein bisschen besser. Allerdings hapert es zur Zeit etwas mit der Motivation. Wegen der Blutvergiftung wurde die Chemotherapie unterbrochen und weiter geht's wahrscheinlich erst morgen Montag. Ich muss also noch ein Weilchen im Spital bleiben. Geduldig sein. Überhaupt nicht meine Stärke. Und langsam fängt alles an zu nerven. Das Weiss der Zimmerwände, der Spitalgeruch, das ständige Warten auf die Pflege, die Ärzte, das Rumhängen, alles. Dazu passt ein Spruch, den ich letztens von einem sehr tollen Mitarbeiter bekommen habe: "Wenn man gesund ist hat man Tausend Wünsche, wenn man krank ist hat man nur einen Wunsch." Und dieses Ziel muss ich weiter verfolgen! Gestern hatte ich zum ersten Mal seit der Diagnose Angst. Todesangst. Seit Sonntag quälte mich in der Nacht eine leichte Atemnot, auch durch den Tag fiel das Atmen schwer und dann eben in der Nacht auf Dienstag wachte ich immer wieder auf, weil ich keine Luft mehr bekam und schlimme Schmerzen im Brustbereich hatte. Dadurch raste mein Puls, ich konnte an nichts anderes mehr denken und mir kam es vor als hätte ich eine zu kleine Lunge. Mit Medikamenten brachte mich die Pflegerin durch die Nacht und am Morgen sagte der Arzt: Zurück auf die Intensivstation! Ich war wütend, angepisst, aber was will man machen? Ein Versprechen musste mir der Arzt aber noch geben: Er werde mir also mein neues, helleres und sowieso viel tolleres Zimmer auf der Onkologie bis zur meiner Rückkehr reservieren. Deal! Auf der Intensivstation selber bekam ich irgendwie gar nicht so viel mit. Schläuchelegen, EKG und einen Ultraschall von meiner Lunge haben sie gemacht mit dem Resultat: Da ist was! Rückstände von der Blutvergiftung und WASSER. Ein Problem, das bei normalen Menschen gar kein Problem ist. Aufstechen, Wasser raus, fertig. Da ich aber im Moment einen sehr tiefen Blutplättchenwert (für die Gerinnung des Blutes zuständig) habe, könnte so ein Stich bei mir blutige Folgen haben und da wollen wir ja nicht. Das heisst jetzt, ich muss auf andere Art und Weise mein Wasser loswerden. Dafür gibt es natürlich wasserlösliche Medikamente und weil auf Toilette gehen bei mir zurzeit wie ein Marathonlauf ist hab ich dafür schön ein Blasen-Katheter gekriegt. Geil. Tut nicht weh, kauf ich mir für's nächste Festival :-). Dazu bekomm ich Sauerstoff über einen Nasenschlauch, Atemtherapie mit Maske über die Nacht (siehe Foto) und gaaaaanz wenig trinken, hat mir zuvor auch noch kein Arzt gesagt! Jetzt hoffe ich das Wasser verschwindet oder die Blutplättchen steigen. Und das tun sie - und so kommen wir zum guten Teil dieses Posts: Anscheinend spreche ich sehr gut auf die Chemo an, die bösen Zellen sind zerstört, die Guten fangen wieder an zu wachsen. Zusammengefasst. Das war heute ein absoluter Lichtblick. Ich bin wieder topmotiviert der Krankheit die Stirn zu bieten und das Tolle: meine Stirn wird ja auch immer grösser. Seit etwa Sonntag fallen mir nämlich die Haar aus. Am Morgen sieht's auf meinem Kissen jeweils aus als hätte Nachbars Katze drauf geschlafen. Ich geb ihr dann natürlich auch immer die Schuld. Miau. P.S. Zum Foto oben einfach mal die berühmte Star Wars Szene einblenden: "Tschuuuuh Tuuuuhhhh - Nein meine lieben Skywalkers, ich bin nicht eure Mutter! Sorry." Ja Bäume ausreissen geht zurzeit wirklich gar nicht, auch beim Gras wird's schwierig. Denn ich wurde am Freitag nach heftigen Bauchkrämpfen, Schwindel und tiefen Blutdruck auf die Intensiv-Station verlegt. Grund: eine Blutvergiftung! Irgendwelche fiesen Bakterien haben sich an meinem schwachen Immunsystem vorbei geschlichen und sich's in meinem Blut bequem gemacht. Allerdings konnten die Ärzte mit einer riesen Portion Antibiotika das Schlimmste grad noch abwenden, kommt dazu, dass ich mit meinem jungen, starken Körper auch so etwas gut überstehen kann. Und siehe da, heute geht's mir schon um einiges besser und morgen Montag soll ich dann auch wieder auf die normale Station verlegt werden. Juhu! Denn ja, so eine Intensiv-Station ist kein Ferienlager. Erholung gibt's kaum, es läuft immer irgendwas, es piepst immer irgendwo und irgendwer hat immer ein kleineres oder grösseres Problem. Dazu kommt die totale Überwachung. Sauerstoff-Zufuhr in der Nase, EKG auf der Brust, Blutdruck an der rechten Hand, Infusion an der Linken, Sauerstoffmessung am Finger, also an Bewegung oder eine Nacht durchschlafen war da gar nicht zu denken. Aber nur so hatten die Ärzte mich und meine schlechten Werte unter Kontrolle. Aber eben, die ganze Zeit ist/war intensiv, ich bin froh kann ich bald zurück und ich hoffe mein Körper spielt mir keine solchen Streiche mehr! Scheiss Schmerzen. Und damit mir nicht langweilig wird, habe ich jetzt zusätzlich zum Kopfweh auch noch Nackenschmerzen bekommen und das alles nur wegen eines feinen Stichs in den Rücken. Oder besser gesagt zwei, am Dienstag bekam ich nämlich noch eine weitere Spritze in's Nervenwasser (Erklärung siehe unten). Ja und jetzt bleibt mir nichts anderes übrig als liegen bleiben und das den ganzen Tag. Ebenfalls muss man hier im Spital auch ein bisschen für seine Schmerzmittel kämpfen. Das heisst, man bekommt nicht von Anfang an die volle Dröhnung, sondern die Dosis wird immer wieder langsam erhöht. Leider wirken bei mir die kleinen Mengen grad überhaupt nicht, weswegen ich heute Morgen ziemlich angepisst war. Die Ärzte haben das aber vernommen und jetzt krieg ich auch schön brav eine gute Menge Morphin direkt über die Infusion. Und so fühlt sich das in etwa an: Übrigens bevor ich's vergesse: ein Foto von meiner neuen Frisur bin ich euch ja auch noch schuldig. Ich bin super-zufrieden damit und ein riesen Vorteil von der neuen Matte: ich muss mich morgens nicht stylen, was meinem schwachen Kreislauf zugute kommt und den ganzen Tag liegen macht auch nichts. Praktisch nicht?
Aber nicht mehr lange. Die Ärzte prognostizieren, dass in etwa ein, zwei Wochen meine Haare beginnen auszugehen. Ein schlimmes Problem. Auf den ersten Blick. Ein total Zweitrangiges. Auf den zweiten Blick. Es sind Haare, welche irgendwann wieder nachwachsen werden.
Damit ich mich trotzdem ein bisschen an die ganze Situation gewöhnen kann, wird Fabian heute Abend meine Haare mal auf Millimeter-Länge abschneiden. Ganz ehrlich, ich bin gespannt wie's aussieht. Ebenfalls wird es meine Morgen-Toilette verkürzen, welche ich wegen meines schlechten Kreislaufs sowieso im Moment auf's Nötigste reduzieren muss. Viele Leute können nicht verstehen, wie ich mit dem Thema Haare so locker umgehen kann. Aber eben wie gesagt, es sind nur Haare. Ein Ausdruck von Eitelkeit. Ein Gefühl das jetzt überhaupt nicht zählt. Auch habe ich mich ganz klar gegen eine Perücke entschieden. Ich möchte zu meiner künftigen Glatze stehen können. Denn sie gehört jetzt halt einfach ein paar Monate auch zu mir. Leukämie ist jetzt ein Teil von meinem Leben. Mit allem drum und dran! Ja etwa so fühlt es sich an. Seit Freitag-Abend habe ich ganz schlimme Kopfschmerzen, die mich fast verzweifeln lassen. Schuld ist keine schöne Feierei, sondern eine sogenannte Lumbalpunktion (https://de.wikipedia.org/wiki/Lumbalpunktion). Bevor ich nämlich ins Wochenende gehen durfte, haben mich die Ärzte noch ein bisschen gequält und mittels langen Nadeln Nervenwasser aus dem Bereich meiner Wirbelsäule genommen. Dieses Nervenwasser schützt das Gehirn und das Rückenmark und um sicher zu gehen, dass dieses Wässerchen nicht auch von der Leukämie getrübt ist, wurden da einige Tropfen zur Untersuchung rausgelassen. Leider verändert sich dadurch der Druck im Kopf und das Resultat: Katerkopfschmerzen nur tausendmal heftiger.
Ich bin deswegen seit heute Morgen wieder im Spital und dank einem Schmerzmittel-Cocktail frisch von der Stations-Bar schaff ich's jetzt auch wieder vor den Compi. Ich hoffe mein Kopf findet bald mal wieder sein inneres Gleichgewicht, bis dahin "trippe" ich nochmals ein bisschen vor mich hin :-)...
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AutorRosie. 30 Jahre. Mitten im Leben. Diagnose: Leukämie. Archives
January 2020
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