Ja ich weiss, es war die letzten drei Monate sehr ruhig auf diesem Blog. Aber ich brauchte Abstand. Und Zeit. Ich wollte mich mal nicht jeden Tag mit meiner Krankheit befassen. Ich musste einige Erfahrungen verarbeiten, vergessen und ich musste abschalten. Das gelingt mir einerseits bei der Arbeit sehr gut und andererseits wenn ich auf Reisen bin. Und das funktioniert trotz Medikamentenplan und Hygienebestimmungen super.
Im September habe ich mit Fabian einen Interrail-Trip gemacht und im November bin ich zwei Wochen mit dem Rucksack durch Israel und Palästina gereist. Beide Reisen haben mir extrem gut getan. Endlich habe ich den nötigen Abstand gefunden. Geographisch natürlich, aber auch gedanklich. Klar musste ich jeden Tag an meine Medikamente denken, aber die Krankheit ist in den Hintergrund getreten und hat neuen Eindrücken Platz gemacht. Ebenfalls habe ich sehr viele tolle Menschen getroffen und all die inspirierenden Gespräche möchte ich nicht missen. Besonders eines ist mir geblieben - aber von vorne: Die letzten Tage im Nahen Osten habe ich auf den Golanhöhen verbracht, ein Teil Syriens, welcher aber seit Jahrzehnten unter israelischer Kontrolle steht. Es herrscht da kein Krieg, aber man hört ihn, denn Damaskus ist nur etwa 60 Kilometer entfernt. Die Golanhöhen sind landschaftlich einzigartig, besonders die Lichtverhältnisse wenn die Sonne untergeht. Für dieses Naturspektakel bin ich jeden Abend auf einen Hügel gelaufen und es war einerseits atemberaubend schön, auf der anderen Seite extrem traurig. Denn als es für einige Augenblicke windstill war, konnte ich die Detonationen aus Syrien hören. Ein spezieller Moment und ich war noch nie dankbarer für mein wiedergeschenktes Leben, wie da oben. Später habe ich auch mit Ryan, welcher das Hostel führt und ursprünglich aus den USA stammt, darüber gesprochen. Er meinte, dass der Krieg so nahe sei, nehme viele Touristen extrem mit. Ist ja eigentlich auch logisch, aber er sagte: "Egal wie nah du bist, es passiert jeden Tag!" Jeden Tag explodieren Bomben, ob ich nun 60 Kilometer davon entfernt bin oder tausende. Es passiert. Es passiert Schlechtes auf der Welt. Krieg ist nur die Spitze des Eisbergs. Hunger. Verfolgung. Misshandlungen. Ausgrenzung. Krankheiten. Schicksale - sie passieren jeden Tag auf der ganzen Welt. "Und was kannst du machen?", fragte mich Ryan dann. Meine Antwort: Dankbar sein und jeden Tag versuchen ein guter Mensch zu sein. Denn es ist mir klar, ich kenne die Lösung vom Nahost-Konflikt nicht, ich weiss nicht wie alle Menschen satt werden und ich kann auch Krebs nicht heilen. Aber ich kann kleine Dinge im Leben leisten und ein gutes Beispiel sein. Eine schöne Erkenntnis, die ich da mit nach Hause nehmen durfte. Zwei, drei Wochen nach der Reise: Meine Blutwerte werden immer noch wöchentlich kontrolliert und seit der Rückkehr aus Israel sind meine weissen Blutkörperchen extrem zurückgegangen. Mein Arzt ist natürlich langsam unruhig geworden und um einen Rückfall auszuschliessen, wurde eine Knochenmarkpunktion angeordnet. Der Eingriff an sich ist sehr schmerzhaft, aber noch viel schlimmer ist das Warten auf das Resultat. Einen Tag lang sass ich wie auf Nadeln, tausend Filme sind in meinem Kopf abgelaufen und ich habe mit dem Schlimmsten gerechnet. Aber dann vor einer Woche die Entwarnung mit den ersten Ergebnissen: WIR HABEN KEINE LEUKÄMIE-ZELLEN IN IHREM KNOCHENMARK GEFUNDEN! Geil! Gesund! Ich reagiere wohl einfach stark auf ein natürliches Medikament, welches ich zur Unterstützung meiner Leber eingenommen habe. Heute habe ich dann auch noch die letzten und die genausten Resultate der Knochenmarkuntersuchung bekommen: ebenfalls negativ! Geil! Gesund! Und sehr dankbar für mein nichtselbstverständliches Leben.
2 Comments
|
AutorRosie. 30 Jahre. Mitten im Leben. Diagnose: Leukämie. Archives
January 2020
Kategorien |