2015. Ein Jahr, das sich wohl für immer in mein Gedächtnis gebrannt hat. 2015. Ein Scheissjahr. 2015 und trotzdem ein gutes Jahr. Denn bis August lief ja eigentlich alles super. Ich habe viel erlebt, tolle Reisen gemacht, gute Parties gefeiert, mich viel bewegt und meine Arbeit machte mir Spass. Und dann kam die Wende. 21. August 2015 - Diagnose Leukämie. Mein Leben hat sich radikal verändert, aber nicht unbedingt zum Schlechten. Klar, es gab schlimme Tage. Tage, die von Schmerz, Tränen, Ekel, Kraft- und Hilflosigkeit geprägt waren. Es gab aber auch immer wieder die guten Momente und die sind es, welche ich aus diesem Jahr in Erinnerung behalten will.
Die vielen netten Worte von euch. Die Besuche, die vergessen lassen, wo man gerade ist, nämlich im Krankenhaus. Fabian, welcher mit einer unglaublichen Selbstverständlichkeit diesen Weg mit mir geht und mich sogar auf der Intensivstation, während der schlimmsten Zeit, zum Lachen gebracht hat. Die Menschen, die einfach da waren. Menschen, die einfach nicht da waren und die man jetzt getrost aus dem Leben streichen kann. Ärzte und Pflege, die sich kümmern, die zuhören und das Gefühl zurückgeben, dass die ganze Prozedur etwas bringt. Mein zu Hause, die gemütlichen Abende vor dem Fernseher und die gammligen Tage im eigenen Bett. Der farbige Herbst und die Spaziergänge in der Stadt. Ein gutes Essen oder ein Bier mit tollen Menschen. Die Erkenntnis, was das alles wert ist. Und langsam konnte ich in den letzten Wochen wieder rausgehen und ich habe gemerkt, auf mich wurde gewartet. Das Leben ist immer noch da, war immer da und hat mir - trotz allem - diese schönen Momente geschenkt. Und für das bin ich dankbar. Das Jahr 2015 war kein schlechtes Jahr. Nur ein Einschneidendes.
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Eigentlich hätte ich diese Woche zur nächsten Chemo-Session antraben müssen, weil aber Weihnachten im Spital nicht besonders besinnlich sind, geht's erst Montag weiter. Ich fühle mich zurzeit super, da sich mein Blut von der letzten Chemo gut erholt hat und so kann ich die Weihnachtstage richtig geniessen. Gestern mit gutem Essen von Mama und Kalorien wieder wegtanzen bis tief in die Nacht. Ein perfektes Fest! Heute musste ich dann auch zum letzten Mal ambulant für das Antibiotika in das Spital und ich habe gemerkt, dass mir dieser Gang in den letzten Tagen um einiges leichter gefallen ist, als auch schon. Ebenfalls schaue ich optimistisch auf nächste Woche, wo ich dann für vier Tage stationär bin. Endlich spüre ich wieder, dass es aufwärts geht und alles gut kommt. Das Leben ist zu schön um es mit schlechten Gedanken zu verschwenden. Und falls das nicht gelingt, hilft nur noch eines: Katzenvideos (natürlich schön weihnächtlich)! Das Leben will mich etwas lehren und darum habe ich Leukämie bekommen. So habe ich mir den Sinn der Krankheit schon von Anfang an erklärt. Oder anders gesagt: Manchmal braucht man im Leben eine anständige "Flättere", welche einen wieder auf den Boden zurück holt und auf's Wesentliche schauen lässt. Ich war früher oft unzufrieden mit mir und meinem Leben, obwohl ich eigentlich gar keinen Grund dazu gehabt habe. Schliesslich hatte ich alles, was es braucht um glücklich zu sein um mich rum. Aber irgendwie hat sich dieses Gefühl nie richtig eingestellt. Dann kam die Leukämie und ich sagte mir: Jetzt wird alles anders! Jetzt schätzt du die guten Dinge mehr. Jetzt regst du dich nicht mehr ab Kleinigkeiten auf. Jetzt wirst du glücklich, weil du ein Leben hast. Und was ist passiert? Nichts! Ich bin nicht zufrieden. Mich nervt mein Kranksein-Alltag. Ich mache nichts wirklich Sinnvolles, vergeude viel Zeit im Bett oder vor dem Fernseher, ich muss jeden Tag in's Spital und vor allem muss ich noch richtig lange Chemo machen. Mich widert das alles irgendwie an. Ich will meine Gesundheit zurück. Ich will mein altes Leben zurück! Ich will, ich will, ich will alles, nur nicht das was ich gerade habe. Und dann scrolle ich mit der Maus nach oben und lese den Satz, der schon seit Beginn meines Blogs da steht: "Manchmal kann man nicht die Situation ändern, in der man sich befindet, aber die Art, wie man mit ihr umgeht!" Wie konnte ich das nur vergessen? Es ist noch nicht vorbei. Überhaupt nicht. Ich bin noch nicht gesund. Nicht hundertprozentig. Obwohl bei der letzten Knochenmarkprobe keine Leukämiezellen mehr gefunden wurden, könnte ich jederzeit wieder einen Rückfall haben. Das wäre dann eine weitere "Flättere" des Lebens, welche ich vielleicht sogar verdient hätte. Wenn ich jetzt nicht merke, dass ich endlich zufrieden sein sollte! Denn ganz ehrlich, es geht mir ja gut. Ich vertrage die Chemos, ich habe viel Zeit, welche ich endlich für mich nutzen kann, ich muss mir - abgesehen von meiner Gesundheit - überhaupt keine Sorgen machen, ich habe die tollsten Menschen um mich, ich werde von guten Ärzten gesund gemacht und und und - ja die Plusliste ist mal wieder endlos lang und ich sehe es einfach nicht. Ich sollte meine Einstellung wieder ändern und auf die schönen Seiten des Lebens schauen, auf das Postivie - nur so kann ich die Krankheit für immer bekämpfen und dabei auch noch stärker werden. Mein Ich hat sich verändert in den letzten Monaten. Innerlich natürlich. Aber auch äußerlich. Mein Körper hat sich verändert. Ich habe Muskeln abgebaut, Gewicht verloren, meine Haut ist ausgetrocknet und das wohl Markanteste: Meine Haare sind mir durch die Chemo ausgefallen. Manchmal da betrachte ich mich im Spiegel und kann das alles gar nicht glauben. Nein, das bin nicht ich! Da schaut mich jemand anders an. Eine Fremde. Und dann werde ich traurig, weil ja doch, das bin ich. Zu dem hat mich die Leukämie gemacht. Zu einer glatzköpfigen, ausgemergelten, bleichen Frau. Bin ich noch schön? Diese Frage habe ich mir in letzter Zeit oft gestellt. Antworten darauf gibt mir vor allem eine Person: Fabian. Ja du bist noch schön! Und ich spüre die Wahrheit in dieser Aussage, jedes Mal wenn er meine Glatze streichelt, küsst oder auch einfach mal einen Witz darüber macht. Dann muss ich lächeln und alles ist gar nicht mehr so schlimm. Ich habe mich im Herbst dazu entschlossen mein jetziges Ich auch festzuhalten. Für später einmal. Als Erinnerung. Fotografiert hat mich Philipp Knöpfel. Wir kennen uns schon seit Teenager-Zeiten und obwohl ich eigentlich nicht so gerne posiere und auch nicht finde, dass ich sonderlich fotogen bin, hatten wir an dem Abend einen riesen Spass und das Ergebnis kann sich definitiv sehen lassen. Danke nochmals Philipp für alles! Wenn ich nur daran denke, dass ich für die nächste Chemo einige Tage in's Spital muss, zieht sich bei mir alles zusammen. Dann sehe ich das Gebäude, rieche den typischen Geruch, sehe die weissen Wände, spüre die plastifizierten Bettdecken und das alles löst bei mir zurzeit eine riesige Ablehnung aus, gepaart mit Ekel und der Angst vor Schmerzen und schlechten Nachrichten. Das Spital und ich, wir sind gerade so richtig auf Kriegsfuss miteinander. Auch diese Woche wieder.
Am Montag bekam ich nach einer Blutbildkontrolle im Ambulatorium plötzlich heftigen Schüttelfrost. Also auch Fieber. Und als Leukämie-Patient Fieber zu haben, ist meistens ein schlechtes Zeichen, darum hiess das für mich: zurück auf's Ambulatorium. Dort nahm die Pflege sofort Blutkulturen um zu sehen, von wo das Fieber kommt. Danach ging's via Notaufnahme (nein, nicht direkt, danke Bürokratie!) auf die Station. Zwei Tage früher als geplant. Fuck! Gestern erfuhr ich dann auch mehr über die Infektion. Und zwar haben sich fiese Bakterien an meine Picc-Line (Zugang am Arm für Medis und Blutentnahme) angedockt und die müssen jetzt natürlich wieder weg da. Am einfachsten geht das mit der Entfernung der Picc-Line. Die kommt also am Freitag nach der aktuellen Chemo-Gabe wieder raus. Tschau-Tschüss du tolle Erfindung, war schön mit dir :-). Ebenfalls bekämpft man böse Bakterien immer auch mit viel Antibiotika. Welches da definitiv für circa die nächsten zwei Wochen zum Zug kommt, erfahre ich dann morgen. Ich hoffe auf ein Orales, welches ich auch brav zu Hause einnehmen kann. So wenig Spital wie möglich. Gestern hat ein Arzt zu mir gesagt, dass ja eigentlich nicht der Spital das Problem sei, sondern meine Krankheit. Da hat er natürlich absolut recht. Die Krankheit ist die Ursache allen Übels. Die Krankheit ist schuld. Nur - ich habe mich mit der Leukämie gerade so schön angefreundet, weil sie mir manchmal - so komisch das jetzt auch klingen mag - etwas zurück gibt. Eine bessere Lebenseinstellung. Wertschätzung von Menschen und Dingen. Zeit für mich. Und die Leukämie macht mich stark, das spüre ich jeden Tag. Ich wachse daran. Und das Spital? Das ist jetzt halt im Moment der Sündenbock für alles Schlechte. Irgendwann wird sich das aber auch wieder ändern. Irgendwann in einigen Wochen. Wenn die letzten Chemos anstehen, wenn das Ende naht, dann wird das Spital wieder der Ort sein, an dem man mir das Leben gerettet hat. Und ich werde unendlich dankbar sein für alles. Nur im Moment fühle ich das einfach nicht... Ich bin ja ein grosser Fan der Vorweihnachtszeit. Nicht nur wegen dem Glühwein. Ich liebe es auch zu backen. Leider ging das in den letzten Jahren wegen Zeitmangel und Adventsstress immer ein bisschen unter. Aber dieses Jahr, da hab ich so richtig Zeit mich in der Küche auszutoben und dazu "Last Christmas" in Dauerschleife zu hören. So eine Krankheit hat manchmal auch Vorteile, man muss sie nur finden. Heute da gingen dann ganz viele Mailänderli, Haselnussplätzli und Schoggi-Kokosnuss-Häufchen in Produktion. Das freut nicht nur meine Waage (ich muss immer noch ein bisschen zunehmen), sondern auch meine Mitbewohner.
Und nicht nur in der Küche tut sich etwas, sondern auch sonst ist da grad ein Projekt im Gange...mehr will ich aber noch nicht verraten...;-) |
AutorRosie. 30 Jahre. Mitten im Leben. Diagnose: Leukämie. Archives
January 2020
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