13. Juni 2017. 7:10 Uhr. Mein Wecker klingelt. Ich wache auf. Yeah. Geburtstag. 30 Jahre. Ich freue mich, den ich liebe meinen Geburtstag. Und in dem Moment wird mir bewusst: Es ist nicht selbstverständlich, dass ich meinen 30. Geburtstag erlebe. Überhaupt nicht. Diesen Geburtstag habe ich vielen Ärzte/innen, PflegerInnnen, der Medizin allgemein, meinem Umfeld und dem Umstand zu verdanken, dass ich vor 30 Jahren im richtigen Land auf die Welt gekommen bin.
Mir kullern ein paar Tränen über die Wange. Tränen der Freude. Denn ich spüre ich bin gesund, ich habe wieder Energie, noch nicht so viel wie früher, aber sie ist da. Ich habe ein tolles Leben. Es passt alles. Ich habe viel erreicht und noch viele Träume. Ich bin glücklich! Ich stehe auf, mache mir einen Kaffee, dusche, starte in einen wunderschönen, sonnigen Tag, in ein neues Lebensjahr und erfülle meine Träume!
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Tag 50. Die Hälfte der hundert heiklen Tage ist überstanden. Seit 50 Tagen lebe ich jetzt mit den Stammzellen meines Spenders. Und das ziemlich gut. Meine Blutwerte sind wieder im normalen Bereich und auch sonst geht es mir von Tag zu Tag besser. Ich kann sogar schon wieder arbeiten. Obwohl - das habe ich ja schon im Spital ein bisschen gemacht. Da hatte ich nämlich die Idee, dass ich doch am Radio eine Registrierungsaktion für die Stammzellendatenbank machen könnte. Konzept war schnell geschrieben, Chefetage hat es gutgeheissen und letzte Woche konnte ich das Projekt "FM1 macht eu zu Lebensretter" umsetzen.
Einen ganzen Tag lang haben wir über das Thema Stammzellentransplantation informiert. Ich habe mit Ärzten und Betroffenen geredet, Hörerinnen und Hörer haben sich gemeldet und natürlich habe ich auch ein bisschen von mir erzählt. Und das Beste: Wir konnten gemäss Blutspende SRK Schweiz mit der Aktion 238 Menschen für eine Registrierung motivieren. So viele wie noch fast nie an einem einzigen Tag. Über das Wochenende kamen dann nochmals rund hundert Personen dazu. Ein Riesenerfolg und ich bin echt stolz, konnte ich das auf die Beine stellen. Ich werde mich aber auch in Zukunft für mehr LebensretterInnen und weniger Leukämie einsetzen! Hier findet ihr die Online-Artikel zu "FM1 macht eu zu Lebensretter!" Die ersten hundert Tage nach der Stammzellentransplantation sind entscheidend. Hat man die überstanden, kann man die ganze Sache wieder ein bisschen entspannter angehen. Nach hundert Tagen ist das Immunsystem wieder einigermassen stabil und man kann die Immunsuppressiva langsam ausschleichen.
Ich bin aktuell bei Tag 36. Das heisst, ich muss noch gut zwei Monate spezielle Regeln einhalten, damit ich mir keinen Infekt einfange. Grösste Einschränkung ist wohl das ÖV-Verbot. Vor allem weil ich zwei Mal pro Woche nach Zürich zur Kontrolle muss, das mache ich statt mit dem Zug jetzt halt mit dem Mietauto. Ich kann die Autobahn schon jetzt nicht mehr sehen! Allgemein Menschenmassen sind tabu für mich. Kein Fussballmatch. Kein Einkaufen in grossen Läden. Kein Strassenfest. Kein Restaurantbesuch. Und keine Festivals - diese werden aber so was von auf die zweite Hälfte des Sommers verlegt :-)! Weitere Regeln gibt es für mich beim Essen. Kein rohes Fleisch. Keine rohen Eier. Keine Mayonnaise. Keine Nüsse. Und das Schlimmste: Kein Appenzeller Käse :-)! Dazu muss natürlich auch die Küchenhygiene stimmen. Also immer alles waschen und Küchentücher täglich wechseln. Ein weiterer Punkt, der mir wirklich schwer fällt: Kein naher Körperkontakt mit anderen. Das führt dann immer zu komischen Situationen bei der Begrüssung, denn Küsschen-Küsschen und Umarmen ist nicht. Ein kräftiger Händedruck ist angesagt und danach desinfizieren nicht vergessen. Den Spital betrete ich übrigens nur mit speziellem Mundschutz, weil da tummeln sich weitaus die meisten Viren, Keime und Bakterien. Auch abstauben, Pflanzen giessen oder den Tumbler ausräumen mache ich nur mit Maske. Aber immerhin habe ich genügend Energie all diese Dinge zu tun! Auch sonst lässt sich der Alltag trotz diesen Einschränkungen gut leben, dennoch freue ich mich sehr auf den 22. Juli, wenn ich die ersten hundert Tage mit meinen neuen Stammzellen überstanden habe und das "normale" Leben so richtig beginnen kann! Nach Hause kommen. Zurück in meine vier Wände. Zurück in mein altes Leben. Ein tolles Gefühl. Kaum habe ich das Spital letzte Woche verlassen, habe ich mich gleich um einiges besser gefühlt. Ich war irgendwie wacher. Wieder mehr Leben in meinem Körper. Ein tolles Gefühl.
Natürlich bin ich noch nicht auf meinem alten Level was die Kondition und meinen Kreislauf angeht. Aber es wird täglich besser. Trotzdem muss ich jetzt alles ein bisschen langsamer angehen. Aufstehen am Morgen braucht Zeit und auch sonst muss ich überall Pausen einplanen. Aber ich habe ja im Moment nicht viele Termine, ausser die Kontrollen am Unispital. Die ersten hundert Tage muss ich da nämlich zwei Mal wöchentlich auftauchen um meine Blutwerte und den Spiegel des Immunsuppressivas zu kontrollieren. Aber die Fahrten nach Zürich kann ich alleine mit dem Mietauto machen und auch sonst bin ich kaum auf fremde Hilfe angewiesen. Endlich wieder selbstständig. Endlich wieder Kontrolle über mein Leben. Ein tolles Gefühl. Hach war das herrlich! Am Wochenende durfte ich endlich mal wieder raus. Also ich meine so richtig raus. Nach draussen. An die frische Luft.
Meine Blutwerte haben sich in den letzten Tagen so gut entwickelt, dass ich von den Infusionen befreit wurde und für ein paar Stunden in den Park gehen durfte. Was für ein tolles Gefühl, endlich wieder frische Luft in meinem Gesicht zu spüren, die Vögel zu hören und dazu das schönste Frühlingswetter. Ich war in letzter Zeit oft müde, aber der kleine Ausflug in die Freiheit hat mir einen richtigen Energieschub gegeben. Allzu gross austoben konnte ich mich allerdings nicht, ich bin trotz Yoga und Physio-Übungen recht schwach auf den Beinen. Aber so schnell wie sich Muskeln zurückbilden, so schnell kommen sie auch wieder. Sobald ich wieder mehr Bewegung habe. Ab Mittwoch dann. Der geplante Entlassungstag. Endlich. Tag 12. Seit zwei Tagen wachsen meine Zellen. Erstaunlich früh und erstaunlich schnell. In der Nacht spüre ich regelrecht, wie mein Knochenmark arbeitet. Gliederschmerzen sind das, aber es sind tolle Schmerzen.
Die weissen Blutkörperchen sind schon so gut angewachsen, dass ich seit heute aus der kritischen Phase raus bin (Granulozyten über 0.5). Das heisst, die Isolation wird gelockert. Ab morgen bin ich nicht mehr den ganzen Tag an die Infusionen angeschlossen, ich darf auch mal auf den Gang raus und Ende Woche sogar in den Park. Das sind doch mal Aussichten! Auch die endgültige Entlassung steht vor der Tür: Spätestens Anfang nächster Woche geht es ab nach Hause. Jetzt darf einfach nichts mehr dazwischen kommen! Es ist wohl die grösste Geduldsprobe meines Lebens. Warten auf die Zellen. Ich bin jetzt bei Tag 5 nach der Transplantation. Zurzeit tummeln sich in meinem Blut noch ein paar alte Blutzellen von mir und "mitgeschwemmte" aus dem Spenderbeutel. Es sind aber viel zu wenige. Deshalb bekomme ich immer wieder Blutplättchen und Bluttransfusionen mit roten Blutkörperchen. Die weissen Blutkörperchen kann man leider nicht transferieren, sonst wäre das mit der Isoltation ja alles auch nicht nötig. Deshalb heisst es für mich eben warten!
Etwa bei Tag 10 fangen die neuen Stammzellen an, Blutzellen zu produzieren. Zuerst Weisse (immerhin), dann Blutplättchen und am längsten brauchen die roten Blutkörperchen. Aber sobald die Weissen einen gewissen Wert erreicht haben und die Immunfunktion wieder erfüllen, darf ich raus aus dem Spital. Und jeder Tag ohne Komplikationen (Abstossungsreaktionen und Infekte) ist ein Tag näher an der Entlassung. Und zurzeit läuft es wirklich gut. Etwas zu schaffen machen mir meine Mundschleimhäute, welche wegen Chemo und Bestrahlung angegriffen sind. Das heisst das Essen schmeckt für mich zurzeit nach nichts und ist auch nicht angenehm zu kauen. Aber ich halte mich mit Suppen und Stalden-Crème am Leben. Ebenfalls habe ich extreme Muskelverspannungen vom viele Liegen, die ich fast nicht mehr loswerde. Und Kopfweh, auch eine Nebenwirkung eines Medikaments oder wegen der tiefen roten Blutkörperchen. Aber hey, das ist schon alles. Immerhin kein Infekt bis jetzt🤞🏽und die Zeit bringe ich auch jeden Tag irgendwie durch. Übrigens: Noch mehr Highlights aus dem Spitalalltag gibt es auf meinem Instagram-Account. Einfach nach frau_hoerler suchen oder oben auf das Instagram-Symbol klicken.
Naja, wie man sich halt im Spital einleben kann. Fotos sind aufgehängt, die Bücher und das Yogamätteli liegen parat, die Neftlixplaylist wäre auch ready, sogar meinen Zeichenblock habe ich nach 14 Jahren wieder mal mitgenommen. Aber irgendwie mag ich einfach nicht. Ich mag nicht lesen, zeichnen, Serien schauen und so weiter. Am liebsten mag ich daliegen, Musik hören und drüber nachdenken, wie lange ich es in diesem sterilen Zimmer noch aushalten muss. Vier Wochen und warte - fühlt sich nicht gerade meine Lunge ganz komisch an? Vielleicht eine Lungenentzündung! Ja dann werden es sicher sechs Wochen. Und sowieso: Warum mache ich meinen Körper eigentlich schon wieder so kaputt? Äähm...um gesund zu werden. Für immer! Psychisch ist es im Moment ein täglicher, anstrengender Kampf.
Denn physisch läuft´s ja eigentich ganz gut. Chemo und Antikörper habe ich bis jetzt vertragen. Keine Übelkeit, nur ein bisschen müde und Wassereinlagerungen. Nicht so toll, aber machbar. Eigentlich. Meine einzige Aufgabe aktuell: Alles sauber und steril halten und schauen, dass die Infusionsleitungen nicht auf den unhygienischen Boden kommen. Könnte man doch aushalten oder? Eigentlich. Aber es wäre halt schon schön, wenn die Zeit ein bisschen schneller laufen würde und Tag 0 da wäre, dann ginge es vorwärts - und aufwärts hoffentlich. Immerhin ist die Aussicht schön. Besser als weisse Wände. Heute war es soweit. Einrücken in´s Unispital Zürich für die Stammzellentransplantation. Endlich. Oder nein, ich will nicht. Es ist ein Hin und Her. Ein Auf und Ab. Ich habe Angst und gleichzeitig freue ich mich, dass bald auch alles wieder vorbei ist und ich geheilt bin.
Für dieses Gefühlschaos und vor allem gegen die Ängste, bekommt man im Spital gerne mal glücklichmachende Pillen. In gewissen Situationen sicher nicht verkehrt und vielleicht bin ich in nächster Zeit ebenfalls froh drum. Aber ich finde, man sollte ein kleines Down auch einmal aushalten, immer nur glücklichsein ist sicher auch nicht gesund für die Psyche. Ein bisschen "den Gaggi i de Hose" gehört zum Leben dazu. Jedenfalls jetzt heisst es einleben. Das Beste an meinem Zimmer ist die Aussicht über die Stadt Zürich, ich glaube nicht mal im Dolder ist diese so exklusiv! Dazu werde ich heute Abend mein Zimmer noch mit den Fotos von der Immunssystem-Verabschiedungsparty schmücken. Ich habe da einfach mal eine Polaroid-Kamera liegen lassen - das Bier und meine Liebsten haben den Rest gemacht 😁. Ihr merkt, das Fest ist mehr als gelungen. Es war schön, wild, gemütlich, exzessiv und voller Liebe. Ich bin echt sehr dankbar für mein tolles Umfeld. Jede und jeder Einzelne trägt da seinen Teil dazu bei und wie schon am Fest gesagt, nur dank diesen Menschen habe ich die Kraft die nächsten Wochen durchzustehen. Also auf geht´s! |
AutorRosie. 30 Jahre. Mitten im Leben. Diagnose: Leukämie. Archives
January 2020
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