Heute ist der dritte Tag der Chemotherapie und da geht was. Meine Blutwerte haben sich super verbessert, nur mein Kreislauf hinkt etwas hinten nach. Darum geht heute alles ein bisschen langsamer, mit viel Pausen, mit viel Gammeln im Bett und mit viel Gedanken-Kreisereien.
Ich bin ein Mensch, der in einer Sache immer das WARUM sucht. Ein Gedanke der mir natürlich mit der Diagnose schon tausendmal gekommen ist: WARUM habe ich Leukämie? Die Antwort ist relativ einfach: Zufall! Oder anders gesagt: die Forschung hat auch noch keine Erklärung gefunden. Genetisch? Äussere Umstände? Nein, wahrscheinlich einfach nur Pech gehabt! Mit dem will ich mich aber nicht abfinden! Irgendeinen tieferen Sinn muss es doch hinter der ganzen Sache geben?! Ich hab mich darum mal auf die Suche gemacht. Wertschätzung. Ich habe ein perfektes Leben. Ich wohne in der tollsten WG der Stadt, darf meinen Traumberuf ausüben, ich habe die Liebe meines Lebens gefunden und ganz viele gute Freunde. Trotzdem war ich in der Vergangenheit nie richtig zufrieden mit meinem Leben und hatte immer etwas zu nörgeln. Kleine, dumme Alltagsprobleme. Das wird sich nach der Krankheit definitiv ändern. Schicksal. Wäre ich nicht an Leukämie erkrankt, wären Fabian und ich im nächsten Frühling auf eine grössere Reise u.a. in den Iran gegangen. Wer weiss, vielleicht musste uns das Schicksal aufhalten, weil auf dieser Reise noch etwas viel Schlimmeres passiert wäre. Vielleicht hätten wir beide dann dieses Abenteuer nicht überlebt. Ich weiss: ein dunkler Gedanke und ganz viel hätte, hätte, Fahrradkette - aber man weiss einfach nie und Reisen kann man ja auch nachholen. Geduld. Ich bin ein extrem ungeduldiger Mensch. Bei mir muss immer alles zack, zack gehen, schon zwei, drei Minuten auf den Bus warten sind für mich lästig. Und jetzt bin ich wochenlang im Spital, die ganze Genesung wird Monate in Anspruch nehmen und ich muss einfach nur warten, warten, warten, bis mein Körper wieder bereit für's Leben ist. Sinnlos ist die ganze Krankheit jedenfalls nicht. Nicht für mich!
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Tag X. Heute hat die Chemotherapie angefangen. Endlich. Nach viel Warten. Nach viel Unsicherheit. Nach viel Bangen. Ist ja schliesslich nicht wie eine Kopfwehtablette, die man dann einfach mal reinhaut und gut ist. Ganz im Gegenteil, eine Chemotherapie wird nach verschiedenen medizinischen Protokollen individuell zusammengestellt und dann genaustens verabreicht. Welches Therapie-Protokoll für mich das Richtige ist, darüber haben sich die Ärzte gestern und heute in verschiedenen Sitzungen beraten. Da kommt man sich natürlich erst mal unheimlich wichtig vor! Bei mir hat es dann aber heute Nachmittag etwas ganz anderes ausgelöst. Da in den ganzen Prozess viele Ärzte involviert sind, gibt es auch verschiedene Experten-Meinungen und die sind heute irgendwie alle auf mich niedergeprasselt. Sprich, der eine Arzt redete schon von Stammzellen-Transplantation, der andere wollte sich nicht auf die Äste rauslassen. Da fragt man sich dann schon, was machen die eigentlich mit mir und was passiert da gerade? Vielleicht verderben viele Köche ja wirklich den Brei? Da gab's dann nur eins: Wehren! Jeder hat im Spital das Recht auf die Wahrheit und die hab ich mir geholt. Ich liess mir ganz genau zeigen, welche Medikamente mir wann gegeben werden und es wurde mir endlich auch klar gesagt, dass ich mich auf eine Transplantation einstellen soll. Geht doch! Mit voller Sicherheit kann man aber halt trotzdem noch nichts voraussagen. Jetzt wird erst mal geschaut wie die ersten 30 Tage Chemo ablaufen und dann werden weitere Prognosen gestellt und Entscheidungen gefällt. Eigentlich eine riesen Wissenschaft das Ganze. Verängstigend, viel auf einmal, kompliziert - aber irgendwie auch richtig spannend. Ich werde wohl nicht nur gesund aus der Sache rauskommen, sondern wohl auch als echte Expertin :-)! P.S. Wie ihr auf dem Bild sehen könnt, ist eine Chemo leider nicht so spektakulär wie man sich das vorstellt. Es sind einfach nur verschiedene Infusionen (manchmal auch nur Tabletten). Keine Ärzte mit Laser-Schwertern, keine radioaktive Flüssigkeit und auch leuchten werde ich nicht in der Nacht. Nur verdammt übel soll einem davon werden! Und die Haare gehen aus... |
AutorRosie. 30 Jahre. Mitten im Leben. Diagnose: Leukämie. Archives
January 2020
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